Feuersalamander Infoboard

Hallo!

Ich weiss nicht genau, ob es hierher passt, aber ich wollte euch meine literarischen Ergüsse nicht vorenthalten:


Wie yavnex Guppymama wurde...

Mittwoch, 14:23 - ein Hilferuf erreicht den E-mail-Eingang unserer tapferen auf-Zeit-Guppy-Retter: Das Aquarium im Altenheim in B. soll aufgelöst werden. Der Plan ist, die Fische ... äh... hinunterzuspülen.
14:30
Alle Aquarienbesitzer treffen sich im Kaffeeraum. Das Motto: Niemals!
Sofort ensteht hektische Betriebsamkeit. Wer hat ein Auto, wer weiss, wo das Zielobjekt zu finden ist?
14:47
Die Rettungsaktion steht. Kescher und Eimer werden auf dem Weg eingesammelt. Die Heimleitung wird informiert: wir kommen! Es ist keine Zeit zu verlieren.
15:03
Der Chef fängt uns im Gang ab! Wird die noble Tat noch verhindert?!
"Wo wollt ihr denn hin?"
"Äh... also, das war so..."
"Tierschutz!" ruft jemand im Hintergrund. "Futterfische!" zische ich ihm zu.
Schließlich bekommt unsere Delegation mit den Worten "Sowas kann auch nur euch einfallen..." doch noch das Recht auf Fischfang. Aber wertvolle Minuten verrinnen - werden wir zu spät kommen?
15:49
Mit Eimern und Keschern bewaffnet stehen wir zu zweit am Empfang der $Seniorenresidenz. Die Marmorfliesen glänzen, leise Musik spielt im Hintergrund, die Angestellten tragen Stewardessenuniformen. Chromblinkende Rollatoren stehen neben der Auffahrt. Wir kommen uns etwas deplaziert vor.
"Aquarium? Aufgelöst?"
Wir blicken uns um. Das Aquarium in der Lobby sieht so aus, als würde es von Fachmännern gewartet und nicht von Zivis. Ist das alles nur ein böser Scherz?
"Ach, da meinen sie bestimmt das $Altenstift. Da werden wir oft mit verwechselt."
Ups.
16:02
Wieder stehen wir vor einem Seniorenwohnheim. Diesmal allerdings etliche Preisklassen niedriger. Und der Empfang ist nicht besetzt. Einfach reingehen können wir auch nicht. Tja.
16:11
Eine freundliche Pflegerin hat uns erspäht.
"Aquarium? Welches denn?"
Äh... es gibt mehrere?
"Ach, M. hat ihnen geschrieben? Dann gehen sie mal rüber in die Kurzzeitpflege."
"Und wo genau ist das?"
"Also hier schräg durch, durch die Glastür, dann links, an dem Aufenthaltsraum vorbei, durch die andere Glastür und fragen sie dann nochmal."
"..."
"Steht aber auch dran."
16:17
Nach mehreren Versuchen, vorbei an Wellensittichen, Kaninchen und - offensichtlich - dem anderen Aquarium:
"Hier durch?"
"Aber da sind doch Zimmer?!"
"Hatte sie nicht links gesagt?"
"Vielleicht meinte sie die andere Glastür?"
"Oder müssen wir wieder zurück?"
"Wo IST zurück?"
An diesem Punkt retten uns zwei weißgekleidete Engel aus der Orientierungslosigkeit. Sie führen uns einen peinlich kurzen Weg (in Sichtweite des Empfangs...) zu einem mit Schlager beschallten Kaffeeraum.
"Hier ist das gute Stück. Sie können alles rausnehmen was sie wollen, Fische, Pflanzen, Steine - alles. Kommt eh weg."
"Wann denn?"
"Och, mal gucken, nächste Woche oderso."
Wir sehen uns an.
"Na gut, dann schauen wir mal."
"Viel Spaß."
Dann sind wir allein. Es ist kein Mensch zu sehen.
16:20
Eine Bestandsaufnahme zeigt: eine Prachtschmerle, drei irgendwelche Bärblinge, zwei Panzerwelse und ... etwa 40 Guppys. Mein Kollege kann nur noch den Kopf schütteln. "Die armen Tiere."
Ich bin ganz still. Meine Verfütterungspläne will ich ihm lieber nicht ins Gedächtnis rufen.
Also, frisch ans Werk!
Deckel ab, Kescher rein und los gehts!
16:34
"Junge Dame, was machen sie da?"
Überrascht drehen wir uns um. Die rüstige Rentnerin scheint empört.
"Das Aquarium wird aufgelöst." versuche ich zu erklären.
"Aber die Meerschweinchen sind ja auch schon weg!?"
"Äh...ja? Aber..." Noch bevor ich reagieren kann, lenkt sie ein.
"Ist ja manchmal auch besser für die Tiere."
Das hatte ich nicht erwartet.
"Können sie nicht auch mal nach den Wellensittichen gucken? Einer davon ist krank!"
"Ja,... da sagen wir mal vorne Bescheid." springt mein Kollege ein. Die Diskussion ist beendet, bevor sie begonnen hat. Sehr gut.
16:35
"Junger Mann, können sie mir mal mit der Serviette helfen?"
"Äh...natürlich."
Formvollendet hilft mein Kollege der tierlieben Dame. Als ich ihn später frage, wo er denn Zivildienst gemacht habe wird er nur antworten: "Gar nicht. War beim Bund." Ups.
16:36
Die Biester sind recht schnell. Ausserdem bin ich zu klein - oder das Aquarium steht zu hoch.
16:43
Es ist vollbracht. Steine und Pflanzen lassen wir im Becken. Und auch die Bärblinge und die Schmerle.
"Was sollen wir denn mit denen machen?" fragt uns eine Pflegerin.
"Äh,... was ist denn mit dem anderen Becken?" geben wir zu bedenken.
Stille.
"Aber, Krankheiten, Kontamination..."
Da vollbringt mein Kollege eine Glanzleistung (wahrscheinlich, weil er mich die Eimer schleppen lässt *grummel*):
"Aber sie benutzen zum Reinigen doch auch die selben Geräte für beide Becken?"
16:50
Wir sind wieder im Auto. Und haben das Gefühl, eine gute Tat vollbracht zu haben.
17:26
Ich bringe es nicht übers Herz, die Guppys in das 10-Liter-Mini-Becken zu setzen. Eine meiner Mitbewohnerinnen muss mir helfen, das 60er-Becken aus dem Keller zu holen.
17:48
Die armen Kleinen. Wie sie niedlich umherschwimmen!
Und so bunt. Guck mal, der da! Und der mit dem Fächerschwanz! Hach, sie haben sich in mein Herz geschwommen...
Der Verfütterplan rückt in weite Ferne.
18:00
Die Glocken der nahen Kirche dongeln. Die Guppys bleiben hier.

Nachtrag: Männchenüberschuss darf meine Schwester ins Lotlbecken werfen, wenn ich nicht hingucke...