Hi,
dass du dich mit den Zeitigungsbedigungen nach Literatur gerichtet hast, kann man an sich nur befürworten. Leider ist aber das Sammelsurium an Sekundärinformation, das das Wistuba-Buch in dieser Hinsicht bietet, meiner Meinung nach in zweifacher Hinsicht völlig daneben:
1. Die geschilderten Normbedingungen kann man nur als kritisch unvollständig bezeichnen. Selbst wenn man nur die Geschwindigkeit der Embryonalentwicklung betrachtet (und wie wichtig ist die eigentlich?), ist die Temperatur bei weitem nicht der einzige beeinflussende Faktor. Je höher aber die Temperatur ist, desto problematischer wird die Sauerstoffversorgung, desto genauer müssen alle relevanten Parameter eingehalten werden, und desto schneller laufen auch kritische/unerwünschte organische Prozesse ab. Ich weiß nicht, welche Bedingungen in der Normentafel, die Wistuba so lapidar heranzieht (S. 26), definiert sind, aber es ist eigentlich nicht denkbar, dass außer der Temperatur keine Werte definiert sind (Falls ein Mitleser (Christina?) zufällig das zitierte Werk von Armstrong und Malacinski, Developmental Biology of the Axolotl, vorliegen haben sollte, könnte da mal jemand auf Seite 201-219 nachschauen?), weil dadurch eine Reprduzierbarkeit der angegebenen Stadienzeitpunkte flachfallen würde.
2. Es findet sich keine Angabe dazu, welcher Erfolg mit den geschilderten Zeitigungs- und Aufzuchtbedingungen überhaupt erzielt werden soll. Wäre das Buch eine Anleitung zur Haltung für Hobbyhalter, würde ich so eine Angabe auch als unnötig erachten; aber für diesen Zweck ist das nunmal das falsche Buch. So drängt sich mir der Verdacht auf, dass die Methodik der Zeitigung nur den Zweck hat, eine möglichst hohe Schlupfrate in möglichst kurzer Zeit zu erzielen. Für die "Weiterverarbeitung" der Larven in Tierversuchen mag das eine passende Maßgabe sein, nicht aber für die Hobbyhaltung, bei der es vielmehr darauf ankommt, nur gesunde und stabile Tiere mit intaktem Immunsystem großzuziehen.
Nebenbei zieht sich Joachim Wistuba in mehreren Partien des Buches mit äußerst schwammigen Empfehlungen nicht sehr elegant, aber sehr effizient aus der Affäre, so z.B., wenn er (S. 25) empfiehlt: "Dem Wasser sollte von Anfang an ein schwaches Desinfektionsmittel beigegeben werden." Wenn du mit dieser Information in ein Zoogeschäft gehst, um ein entsprechendes Mittel zu kaufen, kommst du höchstwahrscheinlich mit einem Mischpräparat aus Malachitgrünoxalat und Milchsäure o.ä. nach Hause (also mit einer dicken chemischen Keule)...
Wenn ich mir diese im ganzen Buch auffindbaren Verkürzungen im Zusammenhang mit der für mich teilweise unerklärlichen Wahl der Themenschwerpunkte anschaue, drängt sich mir der Verdacht auf, dass Wistuba dem Verlag ein Manuskript von 300 Seiten geliefert hat, das von einem Lektor dann auf die verbliebenen 80 Seiten gekürzt wurde, um Druckkosten zu sparen... Daher würde ich alle Informationen aus diesem Buch nur mit Vorsicht genießen wollen. Wohlgemerkt, ich sage das als Laie. Ich will aber auch ein Laie bleiben. Und mit Laien kommunizieren können.
Was die Zeitigungsdauer im Verhältnis zur Temperatur angeht, deuten meine bescheidenen Erfahrungen ganz stark darauf, dass die Sauerstoffversorgung eine deutlich größere Rolle spielt und die Entwicklungsgeschwindigkeit zumindest im gleichen proportionalen Maß beeinflusst wie die Temperatur, ohne aber das gleiche Risikopotential aufzuweisen. Beispiele:
Temperatur 26°C, starke Belüftung, Inkubationsdauer um 8 Tage
Temperatur 23°C, mittlere Belüftung, Inkubationsdauer um 8 Tage
Temperatur 19°C, schwache Belüftung, Inkubationsdauer um 13 Tage
Temperatur 19°C, starke Belüftung, Inkubationsdauer um 10 Tage
Temperatur 16°C, starke Belüftung, Inkubationsdauer um 17 Tage
Unterhalb von 19°C kann man dementsprechend eine deutliche Verlangsamung der Entwicklung feststellen, oberhalb scheint die sich mit Temperaturzunahme verringernde Sauerstoffaufnahmefähigkeit die Temperaturbeschleunigung der Entwicklung zum Großteil wieder auszubremsen.
Die Bedingungen aus dem vierten Beispiel habe ich für meine weiteren Inkubationen beibehalten, da die "kalt" gezeitigten Larven neben der unwesentlich längeren Inkubationszeit auch stets eine deutlich geringere Jungtiersterblichkeit aufwiesen als die "warm" gezeitigten, wobei ich in keinem Fall während der Zeitigung Medikamente eingesetzt habe. Dass man Verpilzungen der Eier nicht pauschal und undifferenziert verteufeln kann, kannst du in der Zeitigungs-Fotoserie auf meiner Website sehen: Die Verpilzung unbefruchteter "toter" Eier kommt regelmäßig vor, ohne dass dieser Pilz auf intakte Eier übergreift. Eine Verpilzung lebender Eier ist bei mir hingegen noch nie aufgetreten, trotz "fehlender" Präventiv-Medikamentierung.
Da du schon 100 Eier in die Inkubation genommen hast, wirst du so oder so deutlich mehr Jungtiere bekommen, als dir lieb ist. Da macht es m.E. keinen Sinn, mit Zuhilfenahme von Desinfektion jeden "Schwächling" künstlich am Leben zu erhalten. Auch, wenn es sich brutal anhört - das beste, was du den Tieren antun kannst, ist, dafür zu sorgen, dass die, die sowieso nicht überleben werden, gar nicht erst geboren werden. Sprich, gar nicht mehr Jungtiere aufzuziehen, als du sicher und optimal versorgen kannst.
Tschöö
Stephan